Oscar Niemeyer SphereArchitektur-Highlight in Leipzig
Ein Vermächtnis in Leipzig
Oscar Niemeyer, einer der berühmtesten Architekten der Moderne, hat mit einer Kugel aus Beton und Glas eine atemberaubende Architektur in Leipzig hinterlassen: die Oscar Niemeyer Sphere bildet im Stadtteil Lindenau einen neuen, spektakulären Anbau, eine Event-Location mit Restaurant, auf der Ecke eines alten Backstein-Gebäudes. Das Bauwerk sehe aus wie ein riesiger Golfball, der ins Gebäude geschlagen wurde, wie ein gelandetes Raumschiff oder gar wie ein Planet, so hört man und liest es in Architekturmedien. Doch weitegehend Einigkeit herrscht über die gelungene Architektur, den genialen Entwurf, den hohen baukulturellen Wert und die dokumentierte meisterliche Bauausführung.
Möglich wurde die Niemeyer Spehre in der Verbindung der großen Idee eines Ausnahme-Architekten und ihrer Ausführung durch engagierte, kreative Weiterdenker des Entwurfs mit perfektem Handwerk und den richtigen Baustoffen.
Die Oscar Niemeyer Sphere
Eine Kugel für den Koch
Oscar Ribeiro de Almeida Niemeyer Soares Filho
* 15. Dezember 1907 in Rio de Janeiro als Oscar de Almeida Soares;
† 5. Dezember 2012 ebenda
Oscar Niemeyer gilt als Wegbereiter der modernen brasilianischen Architektur. Durch seine Entwürfe aller öffentlichen Gebäude prägte er entscheidend das Stadtbild der Landeshauptstadt Brasilia. Die Unesco erklärte 1987 Brasilia zum Weltkulturerbe und 2013 seine Baupläne und architektonischen Zeichnungen zum Weltdokumentenerbe.
Foto: pa picture alliance
Gewerbe und Kunst existieren vielerorts in guter Nachbarschaft. So auch im Westen von Leipzig: Nur etwa 50 Meter entfernt von den Hallen der ehemaligen Baumwollspinnerei, in denen unter anderem Ateliers und Galerien untergebracht sind, befindet sich das Gelände der Unternehmen Heiterblick, Hersteller von Stadt- und Straßenbahnen, sowie Kirow, Weltmarktführer für Eisenbahnkrane.
In Leipzig prägt die Kunst jedoch nicht nur das Umfeld der Industrie, sie hat – dank eines architektur- und kunstaffinen Inhabers – auch den Sprung aufs Werksareal geschafft. Markantes Zeichen dafür ist seit kurzem die Niemeyer Sphere, eine spektakuläre Erweiterung der Betriebskantine. Entworfen wurde der Anbau an einen bestehenden Ziegelbau von 1927 von Oscar Niemeyer, geplant und umgesetzt posthum durch seine langjährige rechte Hand Jair Valera in Zusammenarbeit mit dem Architekturatelier Harald Kern als ausführendem Büro vor Ort.
Ein abgestürzter Planet, eine Schneekugel, die an der Gebäudeecke des alten Kesselhauses kleben geblieben ist, oder ein Ball, der von Niemeyer nach Leipzig zurückgespielt wurde – die Geometrie der Erweiterung lädt dazu ein, sich bei ihrer Beschreibung metaphorisch aus dem Fenster zu lehnen. Zur zeichenhaften Wirkung trägt die glatte und helle Oberfläche der Kugel bei, die kaum Spuren ihrer Erstellung zeigt. Der tragende Schaft wurde dem Mauerwerk des Bestandes farblich angepasst, sodass die sphärische Form alle Blicke auf sich zieht.
Statt kleinformatiger Fenster, die mit der Logik der Kugel brechen würden, ersann Niemeyer zwei riesige geschwungene Öffnungen, die sich gegenüberstehen und dadurch beim Anblick des Bauwerks an das Yin-und-Yang-Symbol denken lassen. Diese doppelt gekrümmten Flächen mit den unregelmäßigen Rändern zu verschließen war eine der großen Herausforderungen der Bauaufgabe. Nun sitzen in den Öffnungen geodätische Stahlmaßwerke. Die Verglasung – insgesamt wurden 234 Elemente verbaut – besteht an der oberen Hemisphäre aus Flüssigkristallglas. Dieses lässt sich zur Verschattung und Hitzereduktion auf Knopfdruck dunkel färben.
Die Sphäre wird als Veranstaltungsraum und, an ausgewählten Tagen, als öffentlich zugängliches Restaurant genutzt. Abends nach Betriebsschluss lassen sich dort mehrgängige Menüs genießen. Erschlossen wird die Kugel auf mehreren Wegen: Von außen gelangt man über einen Aufzug im Schaft aus rotbraunem Sichtbeton sowie über ein Nachbargebäude und eine Brücke in das Café. Eine gewendelte Treppe führt von dort aus auf das obere Niveau, das sich auf Höhe des Äquators befindet.
In dieser Lounge öffnet sich der Blick auf der einen Seite in den Himmel, während auf der anderen Seite eine geschwungene Wand einen Servicebereich begrenzt. Für die Bekleidung dieses Bauteils verwendete das Planungsteam weiße Fliesen mit einer rot gefärbten Strandskizze Oscar Niemeyers.
Auf die Dachterrasse, die sich auf dem Bestandsgebäude erstreckt, gelangen die Gäste von der Lounge aus. Von außen erlaubt eine als Himmelsleiter angelegte Treppe den Zugang. Die Küche ist im Bestandsgebäude untergebracht und über einen Durchgang mit dem Café verbunden. Ganz unten in der Kugel ist die Technik untergebracht
Dem Baustoff Beton verdank das Haus sein Grundstück, denn um den von Absenkungen Die Kombination von kulinarischem Genuss und räumlicher Exklusivität soll bei den Gästen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die ungewöhnliche Architektur ist dabei auch ein Marketinginstrument, das dabei hilft, die internationale Bekanntheit der Unternehmen zu steigern. Wie viel Bedeutung der Anziehungskraft der Kugel eingeräumt wird, zeigt die Umbenennung des Werksgeländes: Als „Techne Sphere“ erscheint es nun als Pendant zum benachbarten Kunstareal.
Die Herausforderung bei der Herstellung der Kugelschale bestand darin, außen eine einheitliche Oberfläche in einem hellen Farbton ohne Verfärbungen zu erreichen. Vorab wurde ein Kuppelteilstück zur Probe betoniert. Dabei testete man auch die Schalhautbehandlung und legte Bewehrungsführung und Rütteltechnik fest. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass sich an einigen Stellen – vor allem im Bereich der oberen Hemisphäre – die gewünschte Sichtbetonqualität bautechnisch nicht herstellen ließ. Nur dort wurde die fertige Kugelschale außen nachträglich geweißt.
Bei der Bewehrung der Kugel entschied man sich für Stäbe, die noch keine Spuren der Oxidation zeigten, also frisch aus dem Werk geliefert wurden. Die Baustelle war während der Arbeiten an der Kugel von einem verfahrbaren Gerüstdach geschützt. Um Verfärbungen zu verhindern, musste der Beton früh ausgeschalt und dadurch bis zum endgültigen Aushärten noch anderweitig gestützt werden.
Oscar Niemeyer, Rio de Janeiro (Entwurf)
Ana Niemeyer Arquitetura e Consultoria, Rio de Janeiro – Jair Valera (Design)
Kern Architektur, Leipzig – Harald Kern (Ausführender Architekt und Projektleitung)
Projektbeteiligte:
Ingenieurbüro Förster + Sennewald, München (Tragwerksplanung)
dechant hoch- und ingenieurbau gmbh, Weismain (Bauunternehmen)
Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat, München (Betontechnologische Beratung)
Müller BBM, Planegg (Bauphysikalische Beratung)
R+R Fuchs, München (Fassadenberatung)
Tuchschmid, Frauenfeld (Stahl- Glas-Konstruktion)
eyrise – Merck Window Technologies, Veldhoven (Konzeption, Herstellung und Lieferung der Flüssigkristallgläser)
Licht Kunst Licht, Bonn / Berlin (Lichtplanung)
Bauherrschaft: Techne Sphere – Kirow, Leipzig und HeiterBlick, Leipzig
Standort: Niemeyerstraße 2-5, 04179 Leipzig
Fertigstellung: 2020
Beton. Impressionen.
Ein visueller Rundgang | Oscar Niemeyer Sphere | Außenbereich
Große Ideen. Planbar.
Beton. Impressionen.
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Oscar Niemeyer Sphere
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