Der CUBEEin Haus aus Carbonbeton | Dresden
Klimaschutz. Mit Box und Twist.
Beton wird oft als der „Baustoff des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Und er hat das Potenzial, auch der Baustoff des 21. Jahrhunderts zu werden. Doch die Anforderungen an das Bauen im Zuge der großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimaschutz, Ressourcenschonung und Energiewende – erfordern es von allen Bauschaffenden, neue Wege zu suchen und zu beschreiten: in Entwurf, Planung, Ausschreibung, in der Herstellung und im Bauprozess. Mit Mut, Pragmatismus und der Offenheit für neue – für große Ideen.
Zum Beschreiten dieser neuen Wege gehört die Suche nach innovativen nachhaltigen Materialien und ihre Verwendung in der Architektur. Materialien wie Carbonbeton. In Dresden kam im Herbst 2022 mit der Eröffnung des „CUBE“ ein Forschungsprojekt erfolgreich zu seinem Ende, das die Möglichkeiten des Bauens mit Carbonbeton eindrucksvoll demonstriert.
DER CUBE
Zwinger, Semperoper, Frauenkirche, Blaues Wunder, Gründerzeitviertel; Dresden ist eine Stadt geschichtsträchtiger Bauwerke und weltbekannter Architekturen. Mit dem CUBE, dem weltweit ersten aus Carbonbeton errichteten Gebäude, wird die Architekturgeschichte der Stadt nun im 21. Jahrhundert fortgeschrieben.
Robuster, nachhaltiger, leichter, dünner
HENN hat mit dem CUBE das weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton entworfen. Die äußere Gestalt des CUBE interpretiert die fluiden, textilen Eigenschaften von Carbonfasern als zusammenhängende architektonische Form, die Dach und Wände fugenlos verbindet. Der Bau zeigt, wie zukünftig formale Gestaltungsfreiheit und radikal neu gedachte architektonische Grundelemente ressourcenbewusst vereint werden können.
»Es gibt wahrscheinlich auf
dieser Welt kaum einen Bereich
wie den Betonbau, in dem es so
viele neue Ideen geben wird!«Manfred Curbach
Direktor Institut für Massivbau,
TU Dresden
Mit 226 beteiligten Unternehmen, Hochschulen und Verbänden, darunter auch der VDZ und das IZB, galt C³ – Carbon Concrete Composite als Deutschlands größtes Bauforschungsprojekt. Nicht nur von Firmenseite kam Unterstützung, gefördert wurde das Vorhaben auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung – mit 45 Millionen Euro. Ziel der 2014 begonnenen Forschung war, Carbonbeton leichter anwendbar zu machen. Ein Versuchsbau sollte zeigen, welche Vorteile der Baustoff hat. Mitgewirkt am CUBE haben neben dem Institut für Massivbau der TU Dresden, das auch Bauherr ist, das Institut für Betonbau der HTWK Leipzig, zwei Planungsbüros und zwei Baubetriebe, eines davon war das Betonwerk Oschatz.
Anfangs wollte das Wissenschaftsteam lediglich ein würfelförmiges Gebäude errichten, mit den typischen Wand- und Deckenelementen, Stützen und auch zwei Treppen – der Name CUBE war geboren. Dahinter stand die Überlegung, den Experimentalbau immer wieder umbauen, beispielsweise um neuentwickelte Wandelemente zu testen. Die Vorzüge für die Forschungspraxis lagen auf der Hand. Allerdings konnte ein solcher Quader nur begrenzt zur Schau stellen, welche Möglichkeiten sich außerdem boten beim Bauen mit Carbonbeton. Hier kam Gunter Henn ins Spiel, Architekt und von 2000 bis 2015 Professor für Industriebau an der TU Dresden – und zugleich ein Bekannter von Manfred Curbach, dem Professor für Massivbau.
Um zu zeigen, dass Carbonbeton auch freiere Formen ermöglicht, entwickelte das Team des Architekturbüros HENN eine geschwungene Hülle, die sich um einen eingestellten, quaderförmigen Forschungstrakt – genannt Box – legt. Die äußere Haut setzt sich zusammen aus zwei identischen, diagonal gegenüberliegenden Carbonbeton-Elementen, die zunächst acht Meter lange Wandscheiben ausbilden. Mit einer 90-Grad-Windung scheinen sich die Wände dann aufs Dach zu schwingen, um auf diese Weise zu Deckenplatten zu werden. Wo sie sich begegnen und quasi aneinander vorbeimanövrieren, bildet sich ein langgezogenes, elliptisches Oberlicht.
Diese sogenannten Twist-Elemente lagern zum Großteil – im Nordwesten sowie entlang der Straße – auf einer verglasten Stahlkonstruktion. Gedacht ist der helle, offene Raum in erster Linie für Präsentationen. Für die Wände der zweigeschossigen Box, die im Süden und Osten bis an die Gebäudegrenzen rücken und die Glasfassade unterbrechen, kamen Betonfertigteile zum Einsatz. Darin integriert sind Öffnungen für Fenster und Lüftung. Im Erdgeschoss beherbergt der Quader zwei WCs sowie Mess- und Büroräume, im Obergeschoss zwei Räume für Haustechnik, Lager und Versuche.
Neben den 25 Halbfertigteilwänden besteht die Box aus neun Hohlkörperfertigteildecken und zwei Treppenläufen. Diese wurden auf der Baustelle mit Ortbeton so gefügt, dass ein in sich tragfähiger, zusammenhängender Block entstand. Dieser Teil des Gebäudes soll veranschaulichen, wie dünn mit Carbonbeton gebaut werden kann und wie massentauglich er ist.
Für Bewehrung, Dämmung und Abdichtung der Betonbauteile kamen Kunststoffe zum Einsatz. Die 44 cm starken Twist-Elemente sind zweischalig. Die Tragschale besteht aus einer unteren und einer oberen Betonschicht, in die jeweils ein bis zwei Lagen Carbontextil eingelegt sind. Beide Schichten sind über Betonstege verbunden, dazwischen befindet sich ein Füllkörper aus expandiertem Polystyrol (EPS). In die Wetterschale sind eine Lage Glastextil und zwei Lagen Carbontextil eingelegt. Sie ist aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit mit Glasfaserstäben an der Tragschale befestigt. Den Raum zwischen beiden Schalen füllt eine druckfeste Dämmung aus extrudiertem Polystyrol (XPS) aus, auf einer Schicht aus Flüssigdichtstoff.
Auch die vorgefertigten Wände der Box sind zweischalig. Bei beiden Schalen handelt es sich um vorgespannten Carbonbeton (carbon prestressed concrete – CPC). Sowohl die innere als auch die äußere ist vier Zentimeter stark und mit je einer Lage Carbongelege bewehrt. Die 3,63 mm² starken Faserstränge sind kreuzweise angeordnet, mit einem Abstand von 38 mm zueinander. Als Betondeckung reichen 10 mm aus.
Zwischen den beiden Betonschalen befindet sich eine sieben Zentimeter starke Dämmschicht und eine zwölf Zentimeter starke Schicht Ortbeton, die teilweise ebenfalls mit einem Carbongelege bewehrt ist. Außen- und Innenschale sind mit Ankern verbunden. Insgesamt wird eine Wandstärke von nur 27 cm erreicht – in Stahlbeton ausgeführt wären es 40 bis 44 cm gewesen.
In der Entwurfsphase ging das Projektteam noch davon aus, dass dank der – verglichen mit Stahlbeton – höheren Zugfestigkeit der Carbonbewehrung, Volldecken mit geringeren Dicken ausgeführt werden könnten. Im Alltag hätten sich diese Volldecken jedoch stark verformt. Daher wählten die Beteiligten Hohlkörperdecken, die eine hohe Formstabilität bei geringem Betonverbrauch ermöglichten. Dazu wurden Verdrängungskörper aus OSB-Platten eingebaut, die als verlorene Schalung im Element verblieben. Mit ihnen wurden die 25 cm hohen und 6 cm starken Stege zwischen den ebenfalls carbonbewehrten Ober- und Unterseiten gebildet.
Ziel des Forschungsvorhabens war, die Ergebnisse für die breite Baupraxis nutzbar zu machen. Ist das gelungen? Die Wände für den eingestellten Quader entstanden in einem sächsischen Betonwerk, teils automatisiert und teils in Handarbeit. Für die beiden Schalen wurde eine Carbonfasermatte auf eine erste dünne Betonschicht gelegt und anschließend mit Beton überzogen. Nach dem Aushärten wurde die Außenschale angehoben und samt Glasfaserstäben, die als Abstandshalter dienen, in den noch flüssigen Beton der Innenschale gedrückt. Anschließend härtete das Wandelement für acht bis zehn Stunden bei 38 bis 40° C und einer Luftfeuchte von 60 % aus.
An der Stelle der Windung sind die Carbonbeton-Elemente dreidimensional gekrümmt. Die komplexen Bauteile mit ihrem mehrschichtigen Aufbau entstanden vor Ort. Dazu setzte das Baustellen-Team speziell angefertigte, gerade und geschwungene Holztafeln zu einer riesigen, passgenauen Schalfläche zusammen. Geschützt von einer großen Einhausung wurde dann die Tragschale der Twist-Elemente erstellt. Von Gerüsten und Hebebühnen aus trug das Team im Nassspritzverfahren den Beton direkt auf die Schalung auf. Jeweils drei bis vier Millimeter dünn sind die aufgespritzten Beton-Lagen – dazwischen eingelegt wurden ein bis zwei Lagen Bewehrung. So bildete sich die innere bzw. untere Gurtplatte. Im nächsten Schritt wurden die EPS-Blöcke eingelegt und deren Abstände, Rippen genannt, aufgespritzt. Anschließend stellte das Spritzteam die obere Gurtplatte her.
Beton. Impressionen.
Ein visueller Rundgang | Der CUBE | Außenbereich
Große Ideen. Planbar.
Beton. Impressionen.
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Der CUBE | Im Bau
CUBE
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